Als am späten Mittwochabend der Abpfiff ertönte, hielt es Thomas Tuchel dann nicht mehr auf seiner Kiste. Auf der hatte der deutsche Coach von Paris St. Germain mit seinem bandagierten linken Bein am Spielfeldrand während des Champions-League-Halbfinals gegen RB Leipzig fast nur gesessen. Doch von dort aus sah er einen beeindruckenden Auftritt seiner Mannschaft, die durch ein 3:0 (2:0) gegen die von Julian Nagelsmann betreuten Leipziger den Einzug ins Finale der Königsklasse schaffte.
Paris dominierte das Spiel, man beherrschte den Gegner und ließ ihm kaum Raum zur Entfaltung. Die Liepziger, die noch so stark im Viertelfinale gegen Atletico Madrid gespielt hatten, wirkten teils überfordert.
Julian Nagelsmann zeigte sich nach der Partie enttäuscht. „Der Gegner war besser als wir. Das muss man akzeptieren“, resümierte der Trainer im Gespräch mit „Sky“. Man habe eigentlich ganz gut angefangen, aber dann sei der Glaube verloren gegangen. Kritik wolle er an der Mannschaft trotz individueller Fehler aber nicht üben. „Wir waren im Halbfinale, darauf können wir stolz sein. Wir wären gern ins Finale gekommen und den nächsten Schritt gegangen. Wichtig ist, dass wir als Gruppe nach dem Frust zusammenfinden und die nächsten Aufgaben angehen.“
„Klar, dass wir den Titel wollen“
Thilo Kehrer, der deutsche Nationalspieler von PSG, sprach von einer guten Mannschaftsleistung. „Der Sieg ist verdient. Wir waren sehr konzentriert und freuen uns jetzt auf das Finale. Es ist klar, dass wir den Titel wollen.“
Es war ein Spiel, das früh entschieden war – und es war ein Spiel, bei dem im Vorfeld oft vom Duell der deutschen Trainer die Rede war: Julian Nagelsmann gegen Thomas Tuchel. Talent gegen Förderer. Ex-Spieler gegen Ex-Coach. Ein großer Taktik-Fanatiker gegen einen noch größeren Taktik-Fanatiker. Und dann auch noch die gemeinsame Vergangenheit in der bayerisch-schwäbischen Provinz, von der zumindest Tuchel vor der Partie Interessantes zu berichten hatte.
Starke Angriffsreihe von PSG
„Er war ein sehr unbequemer Spieler, weil er immer wissen wollte, wieso wir was machen, was der Grund dahinter ist“, erzählte Tuchel. Nach Nagelsmanns Verletzung habe er ihn als Trainer des FC Augsburg II in der Landesliga mit Scouting-Aufgaben betraut, in denen der damals 20-Jährige seine Begabung bewies. „Wo man das sehen konnte, das war in den Berichten, die er abgeliefert hat“, sagte Tuchel: „Die haben gezeigt, dass er sich im Detail befasst, dass er Lösungen hat, dass man das Talent dafür erkannte und die Liebe zum Spiel darin wiedergefunden hat.“
Ins Spiel am Dienstagabend ging Nagelsmann mit fast der gleichen Startformation wie beim 2:1 gegen Atlético Madrid. In der Abwehrreihe ersetzt lediglich Nordi Mukiele den zuletzt angeschlagenen Nationalspieler Marcel Halstenberg. Bei PSG konnte Tuchel wieder von Beginn an auf Kylian Mbappé setzen. Er bildete mit Angel di Maria und Neymar die Angriffsreihe. Letzterer war es dann auch, der die erste große Chance im Spiel hatte. Auf Zuspiel von Mbappé traf der Brasilianer aber nur den Pfosten. Glück für RB, zumal kurz danach der Ball dann auch noch im Tor landete. Doch der Treffer von Mbappé zählte nicht, da es zuvor ein Handspiel von Neymar gab.
Nach 13 Minuten aber durfte das Tuchel-Team dann jubeln. Marquinhos war es, der für das 1:0 sorgte. Nach einem Freistoß von Angel di Maria fühlte sich kein Leipziger für den Abwehrspieler von PSG verantwortlich, so dass dieser völlig frei per Kopfball traf. Die Leipziger, das war nicht zu übersehen, hatten zu Beginn große Probleme mit dem Gegner, der sehr aggressiv und zielstrebig agierte. Als es in der 25. Minute dann aber mal schnell über die rechte Seite ging, wäre fast der Ausgleich gefallen. Konrad Laimer hatte Yussuf Poulsen bedient, dessen Schuss aber ging knapp am Tor vorbei.
PSG ließ sich von der guten Chance aber nicht beeindrucken – schon gar nicht Superstar Neymar. Als es in der 35. Minute einen Freistoß auf halbrechter Position gab, zirkelte der Brasilianer den Ball nicht etwa in die Mitte. Er schlenzte ihn aus großer Entfernung um die Mauer der Leipziger herum an den Pfosten – erneut hatten die Sachsen großes Glück. Kurz vor der Pause aber legte PSG nach und erhöhte auf 2:0. Nach einem ungenauen Flachpassl von RB-Keeper Peter Gulasci ins Zentrum kam Leandro Paredes an den Ball, den er sofort zu Neymar passte, der schließlich im Sprung mit der Hacke di Maria bediente. Der Argentinier vollendete problemlos in die rechte Ecke.
„Respekt vielleicht zu groß“
Eine verdiente Halbzeit-Führung für PSG, das in allen Belangen klar überlegen war – gegen teils völlig verunsicherte, nur reagierende Leipziger, die im ersten Durchgang nur 32 % Spielanteile hatten und nur 45 % der Zweikämpfe gewannen. „Der Respekt ist vielleicht zu groß“, sagte Benedikt Höwedes, der Weltmeister von 2014, zur Pause bei „Sky“. Dietmar Hamann attestierte RB Konzentrationsschwächen. „So wie sie bisher aufgetreten sind, werden sie nicht gewinnen“, sagte der frühere Nationalspieler.
Ex-Bayern-Profi trifft per Kopf
Julian Nagelsmann reagierte nach der Pause mit einem Doppelwechsel: Er brachte Emil Forsberg für Christopher Nkunku und Patrik Schick für Dani Olmo. Das Nagelsmann-Team wurde etwas besser, aber nicht wirklich gefährlich. Paris spielte weiterhin sehr konzentriert und sorgte in der 56. Minute für die Vorentscheidung: Juan Bernat, der einst für den FC Bayern gespielt hatte, traf per Kopf nach Vorarbeit von di Maria. Der Leipziger Mukiele hatte zuvor das Abseits aufgehoben, dies bestätigte auch eine Überprüfung des Treffers per Videobeweis.
Dabei blieb es. Paris spielte seine Klasse aus und ließ den RB auch nach der klaren Führung nicht den Hauch einer Chance. Im Finale am Sonntag trifft Tuchel mit seinem Team nun auf den Sieger der Partei zwischen dem FC Bayern und Olympique Lyon, die am Mittwochabend stattfindet. RB Leipzig hingegen fliegt am Mittwoch heim.
August 19, 2020 at 12:49PM
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PSG schlägt RB Leipzig: Tuchels Star-Ensemble beendet Finaltraum von Nagelsmann - WELT
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