Michael Phelps hat die Untiefen des Daseins von Hochleistungssportlern persönlich und mehr als einmal ausgelotet. Der Genuss von Cannabis handelte ihm eine Sperre ein. Eine Weile danach wäre er wegen Alkohol am Steuer beinahe im Gefängnis gelandet. Aber irgendwann entdeckte er den roten Faden all der Kalamitäten: Der mit einer Ausbeute von 23 Goldmedaillen höchstdekorierte Olympionike erkannte, dass er unter einer Reihe von psychischen Störungen litt, wozu auch Depressionen gehörten.
Anders als viele andere Athleten mit ähnlichen Problemen hielt er es für hilfreich, offensiv damit umzugehen. Aus Andeutungen im Sommer 2016 wurde nach seinem Abschied aus dem Schwimmbecken ein regelrechtes Projekt. Das bislang markanteste Resultat: der Dokumentarfilm „The Weight of Gold“, der am Mittwoch im Pay-TV-Sender HBO ausgestrahlt wurde. Wie schwer der Kampf um Gold auf den Seelen mancher Ausnahmetalente liegt, hatte Regisseur Brett Rapkin schon zu thematisieren versucht. Er beschäftigte sich mit dem Schicksal des Bob-Olympiasiegers Steven Holcomb, den er vor dessen Tod durch eine Überdosis Schlaftabletten und Alkohol ausgiebig interviewt hatte.
Seither wurden die Namen amerikanischer Sportler bekannt, die sich das Leben genommen haben und nicht zur Gruppe ehemaliger Football- und Eishockey-Profis gehörten, die in ihrer Karriere folgenschwere Langzeit-Hirntraumata erlitten hatten, darunter Freestyle-Skiweltmeister Jeret Peterson und Bobfahrer Pavel Jovanovic. Der Film, den Phelps als Koproduzent mitfinanziert hat und in dem er als Kommentator zu Interviews mit Sportlern wie Snowboarder Shaun White, Eisschnellläufer Apolo Ohno und Skifahrer Bode Miller leitet, ist eine Anklage des organisierten Sports. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand ein Interesse hatte, uns zu helfen“, sagt Phelps.
Was der Dokumentation fehlt, ist ein Überblick darüber, wie das Thema anderswo behandelt wird. Sie fängt weder die enorme Betroffenheit ein, mit der man in Deutschland 2009 auf den Suizid von Nationaltorwart Robert Enke reagierte. Noch geht er auf Aktivitäten ein wie jene Studie der Fußballspielergewerkschaft Fifpro, die bereits 2014 das überdurchschnittlich hohe Depressions-risiko der Profis skizziert hatte.
Nach Informationen der „New York Times“ scheinen die Verantwortlichen des amerikanischen Sports für das Thema sensibler geworden zu sein. So ermöglicht das Nationale Olympische Komitee einer wachsenden Zahl von Sportlern Zugang zu Beratung durch Therapeuten. Das System hat allerdings Grenzen. Es wird von einer riesigen Firma umgesetzt, die ihr Geld damit verdient, Personalabteilungen zu assistieren, die mit psychischen Problemen von Angestellten konfrontiert sind.
Mit klassischen, sehr viel kostenintensiveren Therapieformen hat der Ansatz wenig zu tun. Deshalb soll angeblich ein neuer Partner gefunden werden. Im Gespräch ist eine Firma namens Talkspace, an der sich Phelps vor einer Weile als Investor beteiligt hat. „Ich möchte versuchen, die Leben von so vielen Olympioniken wie möglich zu retten“, sagte der 35-Jährige im Rahmen seiner Werbeauftritte für den Film. „Ich kann diese Selbstmorde nicht mehr sehen.“
July 31, 2020 at 01:34PM
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Phelps zeigt die dunkle Seite des Sports - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung
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